Wer noch über die Digitalisierung nachdenkt, droht die Zukunft zu vernachlässigen

Digitalisierung und digitale Transformation werden oft synonym verwendet, obwohl das eine eher die dritte und das andere die vierte industrielle Revolution bezeichnet (vgl. Krapf 2017b; Krapf 2016). Wer also noch über die Digitalisierung nachdenkt, denkt womöglich noch nicht weit genug. Warum das so ist, möchte ich mit einer kurzen Gegenüberstellung von Digitalisierung und digitaler Transformation aufzeigen.

Digitalisierung als Industrie 3.0

Die Digitalisierung kam bereits als Industrie 3.0 auf und umfasste zu Beginn vor allem die computerunterstützter (Massen-)Produktion. Sie formte im weiteren Verlauf aus der Industrie- eine Informationsgesellschaft. Eine Entwicklung, die sich bis in die Gegenwart zieht, denn die Computer von damals werden stetig besser. Es ist deshalb nicht falsch, auch heute noch von der Digitalisierung zu sprechen, denn die Überführung vom Analogen ins Digitale ist noch nicht abgeschlossen. Allein, die vierte industrielle Welle kommt auf uns zu und die dürfen wir nicht vernachlässigen.

Digitale Transformation als Industrie 4.0

Mit der digitalen Transformation als Industrie 4.0 erhöhen sich nämlich die technologischen Möglichkeiten nochmals exponentiell. Begründet wurde die vierte industrielle Revolution primär von sogenannten «Cyber-Physical-Systems» (CPS). Damit wird – verkürzt dargestellt – die (digitale) Kommunikation zwischen physischen Produkten verstanden. Diese Nutzung des «Internet der Dinge» ermöglicht dabei eine Automatisierung, die zuvor mit dem Computer alleine nicht möglich war, weil nun nicht nur der Mensch, sondern auch quasi jedes Produkt mit dem Internet verbunden sein und «selbstständig» kommunizieren kann. Neben CPS erweitern andere Technologien wie «Cloud Computing», «Smart Data», «Artificial Intelligence», «Machine Learning», «Virtual Reality», «Augmented Reality» oder «Blockchain» die Automatisierungsmöglichkeiten (Krapf 2017a). Und alle genannten Technologien haben bereits für sich alleine ein hoch disruptives Potenzial.

Warum die Unterscheidung zwischen Digitalisierung und digitaler Transformation wichtig ist

Die Digitalisierung im Sinne des Wechsels von der Schreibmaschine zum Computer (oder auch vom Computer zum iPad) bzw. vom Brief zum E-Mail (oder auch vom E-Mail zum WhatsApp) sollte bei uns also keine Kopfschmerzen mehr auslösen. Diese Entwicklung erleben wir seit rund 30 Jahren. Die digitale Transformation hingegen bedeutet viel mehr als ein Wechsel von physischen zu digitalen Medien. Die vierte industrielle Revolution ist eine noch nie dagewesene Automatisierungswelle, die sich u.a. in selbstfahrenden Autos bzw. Roboter, Warenhäuser ohne Kassen oder automatische Warenbestellungen andeutet. Dabei werden auch kognitiv anspruchsvolle Tätigkeiten wie die Behandlung von Krebspatienten, das Führen einer Buchhaltung, das Beurteilen von Essays oder die Kundenbetreuung nicht verschont. Die digitale Transformation sorgt also für eine noch schnellere und noch weitreichendere Veränderung als die Digitalisierung (Vey et al. 2017, S. 2). Die Differenzierung dieser beider Begriffe ist also nicht aus Spitzfindigkeit nötig. Vielmehr sorgt sie dafür, dass nicht nur über die gegenwärtig beobachtbare Digitalisierung nachgedacht wird, sondern auch über zukünftige Technologien, die derzeit noch in den Kinderschuhen stecken.

Dieser Ausblick soll keine Ängste schüren. Auch will dieser Beitrag nicht im Detail erörtern, welche Auswirkungen die digitale Transformation haben könnte. Diese Diskussion wird bereits an vielen anderen Stellen intensiv geführt und eine endgültige Antwort ist aufgrund der Unsicherheit und Komplexität gar nicht möglich. Im Fokus steht vorliegend lediglich das Aufzeigen des Unterschieds der Industrie 3.0, die uns heute noch immer (primär) beschäftigt und der Industrie 4.0, die uns immer mehr beschäftigen sollte.

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Abbildung 1: Von der Industrie 1.0 bis zur Industrie 4.0: Eine Übersicht
(eigene Darstellung in Anlehnung an Bauer et al. 2014; Dengler und Matthes 2015; Mülder 2016; Wolter et al. 2015 )

 

Literatur

Bauer, W., Schlund, S., Marrenbach, D. & Ganschar, O. (2014). Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland. Studie. Berlin: Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien.

Dengler, K. & Matthes, B. (2015). Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt: Substituierbarkeitspotenziale von Berufen in Deutschland. IAB-Forschungsbericht 11/2015. Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung.

Krapf, J. (2016). Kompetenzmanagement als Antwort auf die Digitalisierung. https://​joel-krapf.com​/​2016/​03/​13/​kompetenzmanagement-als-antwort-auf-die-digitalisierung/​. Zugegriffen 30.06.2016.

Krapf, J. (2017a). Skill Change: Welche „digitalen Kompetenzen“ brauchen wir bei der Post. https://​www.slideshare.net​/​JolKrapf/​skill-change-welche-digitalen-kompetenzen-brauchen-wir-bei-der-post. Zugegriffen 05.10.2017.

Krapf, J. (2017b). Why and how agility is needed to handle the Digital Transformation. https://​joel-krapf.com​/​2017/​07/​28/​why-and-how-agility-is-needed-to-handle-the-digital-transformation/​. Zugegriffen 04.10.2017.

Mülder, W. (2016). Arbeitswelt 4.0. Rolle der Arbeitsnehmer. ZWF 111 (6), 383–385.

Vey, K., Fandel-Meyer, T., Zipp, J. & Schneider, C. (2017). Learning & Development in Time of Digital Transformation: Facilitating a Culture of Change and Innovation. International Journal of Advanced Corporate Learning.

Wolter, M. I., Mönning, A., Hummel, M., Schneemann, C., Weber, E., Zika, G., Helmrich, R., Maier, T. & Neuber-Pohl, C. (2015). Industrie 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Szenario-Rechnung im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen, Institut für Arbeitsmarkt und Bildungsforschung. http://​doku.iab.de​/​forschungsbericht/​2015/​fb0815.pdf. Zugegriffen 11.03.2016.

Ein Kommentar zu „Wer noch über die Digitalisierung nachdenkt, droht die Zukunft zu vernachlässigen

  1. Ich wurde über die XING CLC Comunity auf diesen Artikel aufmerksam – das Lesen hat sich gelohnt! Derzeit wird viel über digitale Kompetenzen geredet, aber es ist sehr unklar, was damit gemeint ist. Ihr Artikel bietet einen guten Einstieg in eine wichtige Debatte! Merci dafür!

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