Future Work Experience – Ein Experiment zur Kulturentwicklung

Home Office scheint ein Zombie-Leben zu führen. Nicht wirklich tot, aber auch nie so wirklich lebendig. Seit gefühlten Jahrzehnte wird davon gesprochen, auch wenn es nicht immer so genannt wurde bzw. wird. Früher gab es beispielsweise die Telearbeit als Synonym und heute ist Home Office in den Begriffen «Work Smart» oder «Future Work» ein elementarer Bestandteil. Doch so alt das Thema ist, so schwer scheint die Etablierung in den Unternehmungen zu sein. Noch immer krümmen sich die Augenbrauen in vielen Büros, wenn jemand in den eigenen vier Wänden arbeitet oder die Zeit im Zug zum (bezahlten) Arbeiten nutzt.

Kulturentwicklung als zentrale Herausforderung für «Work Smart»

Im Sommer 2015 wurde die «Work Smart» Initiative gegründet, um die Kulturen in Schweizer Organisationen und die Arbeitsweisen der Arbeitnehmenden zu verändern. Eine Vielzahl an Unternehmen haben die «Work Smart» Charta bereits unterzeichnet, und sind so eine (symbolische) Verpflichtung eingegangen, die Flexibilität des Arbeitsalltags bei sich zu erhöhen.

Die Schweizerische Post war Erstunterzeichnerin der Charta und ist seither in der Trägerschaft der Initiative vertreten. Mit verschiedenen Massnahmen fördert der Konzern seither das flexible Arbeiten. Die grosse Herausforderung dabei ist allerdings die Veränderung der Kultur. Denn wenn die vielfältigen Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten nicht genutzt werden, dann laufen alle Bemühungen ins Leere.

Das Experiment: Sowohl Intervention als auch Lernfeld

Aus diesem Grund habe ich mit Franziska Röthlisberger aus der Kulturentwicklung und zusammen mit einem Linienteam aus dem Geschäftsbereich PostMail letztes Jahr ein Experiment gestartet. Das Experiment sollte dem Team nicht nur einen sicheren Raum bieten, um verschiedene Arbeitsweisen auszuprobieren; vielmehr sollte damit auch das aktive Ausprobieren gefördert werden. Zusätzlich wollten die internen Fachspezialisten damit auch Erkenntnisse gewinnen, um die Kulturentwicklung im Postkonzern voranzutreiben. Begleitet wurde das Experiment zudem von Barbara Josef, die als externe Beraterin bereits mehrere Firmen bei der Förderung von «Future Work» unterstützt hat.

Flexibles Arbeiten als Fokus des Experiments

Im Fokus dieses Experiments, das die Teilnehmenden «Future Work Experience» (FuWoEx) nannten, standen v.a. die Förderung von flexiblen Arbeitszeiten und des ortsunabhängigen Arbeitens. Josef unterschied für das Team vier Szenarien, mit denen sich die Teammitglieder während zehn Monaten aktiv auseinandersetzen sollte:

Arbeitsszenarium Experimentiermöglichkeit
First Place («Office») –        Arbeitszeiten flexibel gestalten

–        Büroräumlichkeit flexibel wählen

Second Place («Home Office») –        Zuhause arbeiten

–        Arbeitszeiten flexibel gestalten

Third Place («Co-Working») –        Bei einem Kunden oder an anderen Standorten

–        Arbeitszeiten flexibel gestalten

Forth Place («Mobile») –        Unterwegs arbeiten

–        Arbeitsort flexibel wählen

–        Arbeitszeiten flexibel gestalten

 

Reflexive Begleitung zur Unterstützung der Kulturentwicklung

Nach dem Kick-Off im Frühling 2017, bei dem das Team mit Tools und Instrumenten für das Experiment ausgerüstet wurde, begleiteten sowohl die internen Kulturentwickler als auch Barbara Josef das Experiment über die gesamte Dauer. Ein wichtiger Begleiter für die Teammitglieder war dabei das Lernjournal, in welchem Erfahrungen regelmässig festgehalten wurden. Zudem wurden verschiedene Reflexionsgefässe organisiert. Diese Gefässe waren sowohl formell wie im Rahmen der Null- bzw. Schlussmessung, als auch eher informell, wie im Rahmen von Workshops oder geplantem Austausch bei einem organisierten «Feierabendevent» ausgelegt. Die folgende Abbildung illustriert die Begleitung des Experiments.

WorkSmart.png

Nach dem Abschluss des Experiments kann wie geplant aus zwei Perspektiven ein Fazit gezogen werden. Aus Sicht des teilnehmenden Linienteams interessiert die Frage, ob nun «Work Smart» optimal genutzt werden kann und ob daraus für das Team (und dessen Produktivität) ein Nutzen entstanden ist. Die Kulturentwicklung möchte darüber hinaus auch noch lernen, wie die Erkenntnisse aus diesem Experiment skaliert werden können.

Die Ergebnisse für das experimentierende Team lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Nutzung von «Work Smart» wurde durch eine entsprechende (Vertrauens-) Grundlage im Team und angemessenen technologischen Hilfsmittel unterstützt
  • Durch das Experiment wurden neue Verhaltensweise zuerst legitimiert und dann etabliert
  • Teaminterne Hindernisse bei der Nutzung von «Work Smart» konnten durch regelmässige Reflexion und einen offenen Dialog überwunden werden. Ein wichtiges Instrument war dabei das Lernjournal, das begleitend geführt wurde.
  • Das Experiment führte dazu, dass Arbeitsort und Arbeitsinhalt besser geplant und an die individuelle Produktivität angepasst wurden.
  • Es entstanden weniger «tote» Zeiten bei Kundenbesuche.
  • Die Teammitglieder waren motivierter und nahmen einen gesteigerte Unternehmensgeist wahr, weil sie sich unabhängiger und mehr in der Verantwortung fühlten.
  • Die Mitarbeitenden spürten, dass das Experiment die mentale Flexibilität und die Agilität im Team erhöht hat.
  • Die Teamproduktivität hat sich verbessert, weil bewusst diskutiert und koordiniert wurde, wie das Team zusammenarbeiten muss. Gemeinsame Zeiten wurden wertvoller und dadurch produktiver genutzt.

Aus dem Experiment konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

  • Es müssen kulturelle Hindernisse abgebaut werden, welche die Förderung von «Work Smart» behindern:
    • Physische Präsenz als Notwendigkeit für eine positive Leistungsbeurteilung
    • Führung nach «Command and Control»
    • Intoleranz gegenüber unterschiedlichen Arbeitsstilen
    • Vorauseilender Gehorsam der Mitarbeitenden
    • Festhalten an alten Gewohnheiten
  • Bei der Flexibilisierung der Arbeit müssen verschiedene Fallgruben vermieden werden
    • Starre Home Office Tage oder Bürozeiten
    • Mangelnde Abstimmungen im Team
    • Zu viele Sitzungen
    • Keine Erwartungsklärung
  • Es müssen die nötigen Kompetenzen zur optimalen Nutzung von «Work Smart» entwickelt werden
    • Technologie und deren Einsatzmöglichkeit kennen
    • Netzwerke auch bei Abwesenheit pflegen können
    • Veränderungsfähigkeit und Agilität
  • Sowohl von den Führungskräften als auch von den Teammitgliedern muss ein Vertrauensvorschuss gewährt werden, damit die neuen Arbeitsweisen ausprobiert und nachhaltig angewendet werden.
  • Teamreflexion und Teamdialog etablieren und stärken, um den erhöhten Koordinationsbedarf zur Produktivitätssteigerung zu nutzen
  • Mit einem Experiment starten, um so Ungewohntes ausprobieren zu können.
  • Individuelle Reflexion während dem Ausprobieren, um herauszufinden, was funktioniert und was nicht (bspw. Work Journal)
  • Austausch von «good practices» zwischen Teams

 

 

 

 

 

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