Wie werden Lessons Learned in Organisationen und Teams effizient und effektiv geteilt? Eine Frage, zu denen ganze Bibliotheken gefüllt werden. Eine Frage, die im Sinne des «Wissensmanagement» einen ganzen Forschungs- und Praxisstrang begründet. Hierzu wurden deshalb nicht ganz überraschend schon viele interessante Dinge geschrieben. Aber genauso findet sich in der Literatur auch ganz viel Praxisfernes oder gar Destruktives. Ob eine Handlungsempfehlung zu ersterem oder doch eher zu letzterem gehört, ist dabei nicht so einfach zu unterscheiden. Das zeigte sich mir eindrücklich, als ich ein Team darin unterstützen sollte, das Teilen von «Lessons Learned» zu verbessern. Denn viele Tipps aus der Literatur hat das Team bereits ausprobiert und anschliessend wieder verworfen.
Der unverhältnismässige Aufwand als Hindernis zum Teilen
Der Aufbau eines «Wikis» ist nur ein Beispiel – dafür ein sehr illustratives. Wie in vielen Unternehmen bereits möglich, eröffnete auch dieses Team ein Wiki. Damit ist eine Plattform gemeint, um «crowd-basiert» und «selbstorganisiert» Wissen zu dokumentieren. Das bekannteste Beispiel einer solchen Wissensplattform ist wohl das Online-Lexikon «Wikipedia». Doch während der Name «Wiki» aus dem Hawaiianischen kommt und für «schnell» steht, war dessen Aufbau beim Team alles andere als in einem zeitlich vertretbaren Rahmen. Kam hinzu, dass sich die Umwelt des Teams jeweils so rasch veränderte, dass das Wiki nie vollständig und meistens überholt war. Dieses Grundproblem zeigte sich dann auch durchgehend bei anderen Instrumenten: Der Aufwand für die Dokumentation des Wissens stand nie in einem adäquaten Verhältnis zum Nutzen. Und so ging es dem Team bei jedem Instrument wie den meisten von uns mit Neujahrsvorsätzen: Gestartet mit guten Absichten und kurz darauf festgestellt, dass es wieder so ist wie zuvor.
Zurück auf Feld 1: Warum will das Team überhaupt Wissen teilen?
Die naheliegende These könnte sein, dass wie bei unseren Neujahrsvorsätzen der Veränderungswille mangelhaft oder die Macht der Gewohnheit zu stark war. Das mag auch in anderen Fällen zutreffen, doch bei diesem Team war der intrinsische Wunsch nach einem verbesserten Wissensaustausch eminent. Ich war deshalb überzeugt, dass die Ursache eher darin lag, noch keinen Ansatz gefunden zu haben, der einen echten Mehrwert bringt. Wir haben uns deshalb im Team darauf zurück besinnt, welchem Zweck der Austausch von «Lessons Learned» dienen soll. In dieser Diskussion wurde dann evident, dass es den Teammitgliedern vor allem darum ging, voneinander zu erfahren, wie sie ihre Projekte leiten und was sie daraus gelernt haben. Da die Projekte der Mitglieder jedoch derart heterogen sind, waren bisherige Dokumentationen über Projektinhalt, Projektablauf etc. zu umfassend und zu wenig wirkungs- bzw. lernorientiert.
Lessons Learned beinhaltet eine didaktische und eine operative Perspektive
Ausgehend von dieser Problemanalyse haben wir dann im Team zwei Perspektiven beim Teilen von Lessons Learned unterschieden:
- Die didaktische Perspektive: Wie sichern bzw. formulieren wir unsere Learnings, damit wir alle davon profitieren können?
- Die operativen Perspektive: Was für ein «Instrument» nutzen wir, um diese Learnings zu sichern und zu teilen?
Didaktische Perspektive: Wie kann der definierte Mehrwert erreicht werden?
Bei der didaktischen Perspektive haben wir uns dann an der Gestaltungsforschung orientiert, bei der zur Sicherung von Erkenntnissen sogenannte «kontextsensitive Gestaltungsprinzipien» erarbeitet werden (Krapf und Seufert 2017, S. 14). Dabei werden Gestaltungselemente, die in einem spezifischen Kontext erfolgreich waren, so abstrahiert, damit sie auf einen anderen Kontext übertragen werden können. Im vorliegenden Beispiel haben wir die Logik von van Aken et al. (2016, S. 4) adaptiert (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Didaktische Grundstruktur zum Teilen von Lessons Learned
Operative Perspektive: Wie kann das Teilen von Wissen effizient organisiert werden?
Zur Ausgestaltung der operativen Perspektive haben wir uns im Team drei zentrale Fragen gestellt:
- Wann und wie reflektieren wir?
- Wann und wie halten wir unsere Learnings fest?
- Wann und wie teilen wir unsere Learnings mit dem Team?
Das Ergebnis auf diese Fragen war dann ein teaminterner Kompromiss, indem in der bi-wöchentlichen Teamsitzung ein Zeitfenster reserviert wurde. Dieses konnten die Teammitglieder nutzen, um den obengenannten Dreischritt der didaktischen Perspektive gemeinsam durchzugehen oder auch direkt die persönlich erarbeiteten Gestaltungsprinzipien zu teilen. Das Team hat sich damit explizit gegen eine schriftliche Plattform entschieden, weil ihre Welt zu dynamisch ist und gleichzeitig für jedes grössere Projekt bereits eine Erfolgskontrolle durchgeführt und dokumentiert wird. Was für dieses Team stimmt, muss natürlich nicht das Richtige für andere Teams sein. Deshalb erachte ich die drei oben genannten Reflexionsfragen auch lehrreicher als die spezifische Lösung des Teams.
Lessons Learned zum effektiven und effizienten Teilen von Wissen
Wie die didaktische Grundstruktur (vgl. Abbildung 1) konkret angewendet werden kann, soll beispielhaft am skizzierten Fall vorgestellt werden. Damit kann auch gerade ein Fazit festgehalten werden:
- Feststellungen:
Das Team versuchte vergeblich ein Instrument zu finden, um die Lessons Learned effizient und effektiv zu teilen. Bei jedem Ansatz rechtfertigte der geringe Mehrwert nicht den hohen administrativen Aufwand.
- Learnings:
Zuerst das Problem bzw. Bedürfnis klären. Anschliessend überlegen, wie dieses Problem gelöst werden kann und erst im dritten Schritt festlegen, was nun konkret dafür getan wird. Ganz im Sinne des «Golden Circle» von Simon Sinek («Warum?», «Wie?», «Was?»). Also nicht direkt ein Instrument wählen, weil dieses von allen genutzt wird.
- Gestaltungsprinzipien:
[Kontext] Wenn ein Team das Teilen von Lessons Learned verbessern will,
[Aktion] dann muss zuerst das «Warum» geklärt werden. Anschliessend gilt es die didaktische Perspektive an diesem «Warum?» auszurichten, wobei die vorliegende Grundstruktur eine Inspiration sein kann, aber nicht muss (vgl. Abbildung 1). Wenn die didaktische Perspektive festgelegt wurde, muss sich das Team darauf einigen, wie dieses «Wie?» konkret umgesetzt wird (operative Perspektive bzw. «Was?»). Das kann, aber muss nicht im Rahmen einer Teamsitzung geschehen.
[Mechanismen] Das Teilen von Lessons Learned findet dann statt, wenn es einen Mehrwert erzeugt. Dieser muss zuerst erkannt werden, damit teaminterne Lösungen ausgearbeitet werden können, die darauf einzahlen.
[Resultate] Wird nach diesen Grundsätzen vorgegangen, dann findet das Teilen von Lessons Learned nachhaltig statt, weil die operative Umsetzung auf den (didaktischen) Mehrwert abgestimmt ist.
Literaturverzeichnis
Krapf, J. & Seufert, S. (2017). Lernkulturentwicklung als Ansatz zur Steigerung der Agilität von Teams – Reflexion einer gestaltungsorientierten Forschung. bwp@ 33.
van Aken, J. E., Chandrasekaran, A. & Halman, J. (2016). Conducting and publishing design science research. Inaugural essay of the design science department of the Journal of Operations Management. Journal of Operations Management (47-48), 1–8.