Der Konkurrenzkampf spitzt sich zu, die Margen erodieren und innovative Start-Ups bedrängen die träge gewordenen Giganten. Namhafte Unternehmen wie Kodak, Nokia oder Blackberry haben nicht nur stark an ihrem einstigen Nimbus des innovativen Vorreiters und dominanten Marktbeherrschers eingebüsst, sie kämpfen mittlerweile um das nackte Überleben. Wenn der Fachliteratur zu glauben ist, scheint es für die in die Enge getriebenen Grossunternehmen nur eine Überlebensstrategie zu geben: Innovation, Innovation, Innovation. Alleine bei Amazon.com sind über 60‘000 Bücher erhältlich, die im Titel das Schlagwort „Innovation“ enthalten. Vor diesem Hintergrund wäre es anmassend, apodiktisch zu behaupten, der Heilige Gral der Innovation sei vorliegend erstmalig und endlich gefunden worden. Nichts-destotrotz hat die Wirtschaft längst nicht alle in der Wissenschaft erlangten Erkenntnisse umgesetzt, weshalb es weiterhin notwendig scheint, über die Innovationsentwicklung zu schreiben.
Die richtigen Fragen stellen
Das Angebot an Fachbücher zur Innovationsentwicklung ist derart immens, dass sich Führungskräfte oft hilflos in dieser Fülle an Tipps und Tricks verirren. Um die Orientierung wieder zu erlangen, hilft es, wenn mit einem Schritt zurück das grosse Ganze ins Blickfeld genommen wird. Denn bevor ein spezifischer Innovationsprozess initiiert werden kann, müssen viel elementarere Hürden übersprungen werden. Im Zentrum stehen dabei folgende drei Grundsatzfragen, die vorgängig beantwortet und deren damit zusammenhängenden Probleme an-schliessend gelöst werden müssen:
- Warum werden Innovationen nicht gesucht?
- Warum werden Innovationen nicht gefunden?
- Warum werden Innovationen nicht umgesetzt?
Erst wenn dieser Dreisprung erkannt und bewältigt wurde, kann die spezifische Innovationsentwicklung mithilfe der zahlreich existierenden Innovationstools angegangen werden.
Warum werden Innovationen nicht gesucht?
Innovationen entstehen in den seltensten Fällen aus einer nächtlichen, von Alkohol begünstigten Eingebung, wie dies gemäss Hollywood bei Mark Zuckerberg und seiner Idee „Facebook“ der Fall war. Vielmehr müssen Innovationen willentlich gesucht werden; und dies ist schwieriger als es scheint. Die zunehmende Rationalisierung und Standardisierung der Arbeitsprozesse hat zwar dazu geführt, dass in den meisten Unternehmen nahezu jeder Arbeitsschritt effizient und damit kostengünstig organisiert ist, jedoch wurde damit unbewusst – aber fahrlässig – die Innovationsfreudigkeit der Mitarbeitenden im Keim erstickt. Durch die moderne Arbeitskultur, bei der die Effizienz über allem steht, hat der Arbeitende weder Lust noch Luft, um sich über etwas anderes als die nächste Arbeitshandlung Gedanken zu machen. Denn jede Minute, die er nicht effizient im Sinne seines Teil-arbeitsschrittes nutzt, wird ihm als Schwäche ausgelegt. Und hat einer dieser humanen Quasi-Roboter während des ganzen Prozesses doch einmal eine innovative Idee, dann führt ein langer, komplizierter Genehmigungs- und Entscheidungsprozess dazu, dass sich diese am Dienstweg abnützt und schlussendlich verpufft. Für viele Arbeitnehmer besteht deshalb kaum ein Anreiz, sich überhaupt die Mühe zu machen, nach Innovationen zu suchen. Und es scheint tautologisch, dass Innovationen, die nicht gesucht, auch nicht gefunden werden. Die erste Hürde, die eine Organisation also überspringen muss, um ihre Innovationskraft zu steigern, ist die Erschaffung einer Arbeitskultur, welche die Mitarbeitenden ermutigt, den Status-quo kritisch zu hinterfragen. Die Eliminierung einer effizienzgetriebenen Unternehmens-kultur ist dabei jedoch nur der Anfang. Weitere Massnahmen werden häufig den Führungsstil, die interne Kommunikation, die Etablierung einer Fehlerkultur oder die Flexibilität der Arbeitszeit umfassen.
Warum werden Innovationen nicht gefunden?
Konnte die Organisationkultur dahin-gehend verändert werden, dass die Mitarbeitenden Zeit und Lust haben, Innovationspotenziale zu suchen, ist bereits viel erreicht. Nun muss diese Bereitschaft jedoch auch optimal gefördert und unterstützt werden. Ähnlich wie die Unlust zur Innovationssuche hat die Unfähigkeit zur Innovationsfindung ihren Ursprung im hektischen Alltagsgeschäft: Akute Abgabefristen, unzufriedene Kunden, ungeduldige Vorgesetzte oder nörgelnde Unterstellte hemmen die kreative Entfaltung. Dazu kommen weitere Destruktoren wie eine mangelnde Sicht für das Gesamtbild oder eine suboptimale Allokation von Ressourcen wie Zeit, Geld oder notwendigen Kompetenzen. Als ein möglicher Lösungsansatz bietet sich in diesem Zusammenhang die Zentralisierung der Innovationsentwicklung in einer „Corporate University“ an. Viele Grossunternehmen haben das in den 1980er Jahren entwickelte Konzept einer „Corporate University“ bereits für die unternehmenseigene Weiterbildung ein-geführt. Diese Institution könnte für die Innovationsentwicklung in dem Sinne genutzt werden, als dass erlesene Mitarbeitende aus allen Führungs- und Fachlinien für eine befristete Zeit in der „Corporate University“ zusammengezogen werden und dort in heterogenen Teams, optimal ausgestattet mit Ruhe, Zeit, Geld und Kompetenz, gemeinsam an neuen Innovationen tüfteln. Natürlich ist eine solche Organisation zur Innovations-findung nicht für alle Unternehmen geeignet und natürlich können auch andere Wege zum Ziel führen. Essentiell ist jedoch, dass die Lösung der oben genannten Grundproblematik im Vordergrund steht und sich das Unternehmen nicht in modernen Innovationstools verliert, die zwar prinzipiell geeignet wären, aber ihre Eignung nicht entfalten können, weil ungünstige Rahmenbedingungen den Findungsprozess behindern. Bildlich gesprochen sind die Wege zur Innovations-findung zwar zahlreich, aber der Wander-rucksack für die beschwerliche Reise sollte stets mit genügend Ruhe, Zeit, Geld und notwendiger Kompetenz gefüllt sein, weil sonst der Proviant nicht ausreicht, um das Ziel zu erreichen.
Warum werden Innovationen nicht umgesetzt?
Ist eine Innovation gefunden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie auch umgesetzt wird. In einem Unternehmen werden kaum alle Betroffenen die sich anbahnende Neuerung mit Begeisterung aufnehmen. Vielmehr werden einige Macht- oder gar Existenzverlust fürchten, andere werden von der Idee nicht überzeugt sein und wiederum andere scheuen prinzipiell Veränderungen. Aus diesem Grunde ist es essenziell, dass der Umsetzungsprozess prioritär behandelt wird. Es reicht nicht aus, viele gute Ideen zu suchen und zu finden. Damit die gefundene Innovation dem Unternehmen auch wirklich nützt, muss sie umgesetzt werden. Die Herausforderung liegt dabei nicht darin, die Erfinder und die „Early Adopters“ von der neuen Richtung zu überzeugen; vielmehr muss die breite Masse zum Wandel bewegt werden. Wie dies gelingen kann, hat die Wissenschaft ebenfalls in zahlreichen Büchern ausgeführt. So gibt es beispielsweise bei Amazon.com knapp 90‘000 Bücher mit dem Titel „Change Management“. Es scheint deshalb ebenso verwegen, neue Erkenntnisse in der Führung von Veränderungsprozessen zu proklamieren. Nichtsdestotrotz scheint auch hier die Wirtschaft noch nicht gänzlich zu verstehen, wie sie die Errungenschaften der Wissenschaft nutzen kann.
Die Essenz des Dreisprungs
Als Zwischenfazit kann soweit gezogen werden: Die Innovationsentwicklung bedingt in der heutigen Zeit meist einen Schritt zurück, um das grosse Ganze wieder im Blickfeld zu haben. Ist das Ziel anvisiert, gilt es im Dreisprung eine prosperierende Innovationskultur zu entwickeln. Im Zentrum stehen dabei:
- Die Eliminierung der effizienz-getriebenen Unternehmenskultur, um die Suche nach Innovationen zu ermöglichen.
- Die adäquate Allokation der Ressourcen Ruhe, Zeit, Geld und Kompetenz, um das Finden von Innovationen zu optimieren.
- Die kompetente Führung von Veränderungsprozessen, um die Umsetzung von Innovationen zu gewährleisten.